Das präventive Selbst

„Pass auf!“ – Dieser Ausruf dürfte für niemanden unbekannt sein. Nicht nur in unserer Kindheit, sondern auch im alltäglichen Gebrauch werden wir oft darauf hingewiesen, auf unsere Gesundheit acht zu geben – ob von der Familie, Verwandten oder Freunden, Ratgebern oder der wachsamen Smartphone-App. Die dahinterstehende Absicht ist allerdings immer die gleiche: Man wird dazu angehalten, sich auf eine potenziell negative, zukünftige Entwicklung vorzubereiten. Risiken sollen verhindert und dadurch möglicher Schaden vermieden werden. Im Menschen wird also durch diesen Anruf etwas angesprochen, was mit dem Wunsch verbunden ist, zukünftiges Übel so gut wie möglich zu vermeiden. Was dabei angesprochen wird, kann als das sogenannte Präventive Selbst bezeichnet werden. Jeder von uns handelt in gewissen Situationen präventiv. Das obligatorische nach links und rechts Schauen beim über die Straße gehen ist eine präventive Handlung, durch die ein Autounfall vermieden werden kann.

Mit Hilfe von wissenschaftlich erhobenen Daten versucht das präventive Selbst, die Zukunft kontrollierbar zu machen. Es orientiert sich an den Normwerten, also sozusagen am Durchschnittsmenschen und vergleicht sich mit diesem. Weichen die eigenen Werte von den Durchschnittswerten ab, steigt das Risikopotenzial. Dem versucht das präventive Selbst mit allen Mitteln entgegenzuwirken. Dabei ist keine Prävention zu extrem, um das Ideal des „normalen“ Menschen zu erreichen. Beispielsweise werden Kalorienzähler konzipiert, um den Bedarf an Nahrungsmitteln eines Durchschnittsmenschen zu ermitteln, damit ein Mensch die theoretische Idealfigur erlangt. Die Zukunft lässt sich allerdings nie zu hundert Prozent vorhersagen. Das präventive Selbst kann sich also nur auf Wahrscheinlichkeitsempfehlungen aus den wissenschaftlich erhobenen Daten stützen. Da Prävention sich nur auf Wahrscheinlichkeitsaussagen berufen kann, sind präventive Handlungen in ihrer Wirksamkeit nie vorhersehbar. Das bedeutet, ob eine präventive Entscheidung wirksam ist, kann niemals im Vornherein versichert werden, sondern nur im Nachhinein beurteilt werden. Prävention kann also auch wirkungslos sein oder im schlimmsten Fall das zu vermeidende Risiko, statt zu minimieren maximieren.

Heutzutage ist es immer leichter, über sich selbst Daten zu sammeln mit deren Hilfe das präventive Verhalten gesteigert und genauestens überwacht werden kann. Jeder Mensch kann sich mit Hilfe von Self-Tracking-Apps selbst vermessen und dadurch mit den Normwerten vergleichen. Solche Apps können zum Beispiel Kalorien- oder Schrittzähler oder aber auch Apps zur Streckenmessung beim Laufen oder Radfahren sein. Sie zeigen mögliche Risikofaktoren auf und ermöglichen dem Menschen, sich selbst genau zu betrachten. Jedoch beziehen sich die Apps dabei immer wie bereits erwähnt auf Normwerte. Aber endgültig ist das Ziel der Prävention nie erreichbar. Denn Prävention ist ein Vorgang, der immer weiterlaufen muss und niemals abschließbar ist. Geht man beispielsweise an einem Tag die empfohlene Schrittmenge, muss man auch am Folgetag wieder die angegebene Menge an Schritten einhalten, damit der erwünschte Effekt nicht verloren geht und die Prävention erhalten bleibt. Außerdem ist auch nie das absolute Maximum an Prävention erreichbar. Man könnte immer noch etwas fitter werden oder noch gesünder leben. An Stillstand ist also nicht zu denken. Jede Person ist selbst für ihre Gesundheitsvorsorge verantwortlich und kann deshalb entscheiden, in welchem Ausmaß sie Prävention betreibt.